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Freitag, 26. April 2024

Wie sieht die Zukunft der Mediennutzung aus?


Gastkommentar von Walter Freese, Senior Research Consultant TNS Emnid Medienforschung, Bielefeld, über ‚Thesen zur Entwicklung der (Print-) Mediennutzung’.

Beschäftigt man sich mit der Frage der zukünftigen Entwicklung der Medienangebote und –nutzung, ist die grundlegende Frage immer: Substituieren neue Medien die alten oder ergänzen sie diese?

Die kulturpessimistische (Substitutions-) Perspektive in Bezug auf die Printmedien lautet: „Die neuen Medien ersetzen Print und es wird nicht mehr oder zumindest deutlich weniger gelesen.“

Gegenthese: Die Zukunft gehört der funktionalen Medienvielfalt

Vertraut man den Stärken von Print und der Zukunftsfähigkeit der Verlage, ergibt sich die Gegenthese der Komplementarität der Medien. Dies bedeutet: Es wird in Zukunft einen  funktionalen Umgang mit Medienvielfalt geben, je nach Stärken und Schwächen der jeweiligen Medien. Landet der Rezipient demnach bei der Suche nach dem Lesevergnügen, dem Verlangen nach Hintergründen und Inspiration auch in Zukunft bei Zeitungen und Magazinen? Geht es um Schnelligkeit und Aktualität, um Vernetzung und Interaktion, wird dann der Rezipient auf die unendlichen Weiten des World Wide Web zurückgreifen? Oder führen die Entwicklungen zu einer kompletten Individualisierung und Diversifizierung in der Mediennutzung? Sprich: Jeder bekommt (oder: jeder beschafft sich) maßgeschneidert das, was er braucht – unabhängig vom Übertragungsweg.  Lauert damit das Ende der Massenkommunikation?

Seit Jahren wird über die Auswirkungen der zunehmenden technischen Möglichkeiten der neuen Medien auf das Nutzungsverhalten der Deutschen spekuliert und natürlich auch dazu geforscht.

Im Folgenden wurden die aktuellen Stands der Forschung durchforstet: 
- Noch nie haben die Deutschen so viel Zeit mit Medien verbracht: Laut der aktuellen ARD/ZDF-Langzeitstudie   ‚Massenkommunikation’ verbringen die Menschen in Deutschland durchschnittlich rund 10 Stunden pro Tag in Begleitung von Medien.
- In den vergangenen Jahren haben fast alle Printgattungen mit sinkenden Abverkaufszahlen und Werbeerlösen zu kämpfen.
- Das Internet hat sich vom Minderheits- zum Mehrheitsmedium entwickelt. Laut aktuellem (N)Onliner Atlas verfügen 60,2 Prozent aller Bundesbürger über einen Zugang zum Internet.
- Web 2.0 ist mehr als nur eine neue technische Plattform. Die Nutzer werden durch ‚User Generated Content’ vom Konsumenten zum Produzenten und Netzwerker.
- Neue Medienformate und neue Übertragungstechnologien wie die Digitalisierung (zum Beispiel PodCast, MP3-files) und Breitband-Technologie sorgen für grundlegende Veränderungen im Medienangebot – und auch in der Mediennutzung!
Insbesondere der letzte Punkt scheint die meisten Spekulationen noch zu beflügeln. Jedoch steht dem entgegen,  dass die Technik immer nur die Voraussetzung ist und das Verhalten folgen muss.

Nur zwei Beispiele dafür, dass das Verhalten nicht zwingend den technischen Möglichkeiten folgt:

1. Nutzung von Handyfunktionen

Die Deutschen nutzen die technischen Möglichkeiten ihres Handys - über das Telefonieren hinaus - im internationalen Vergleich eher verhalten. Mit durchschnittlich 4,7 Funktionen liegen wir damit nur im weltweiten Durchschnitt (zum Vergleich: UK: 6,0, Italien: 6,3, Hongkong: 7,7).

Unterdurchschnittlich ist beispielsweise auch die Nutzung von MMS oder der integrierten Videokamera. Auch die Möglichkeiten des  mobiles Internets oder das Versenden von E-Mails via Handy werden kaum genutzt (Quelle: Global Tech Insight 2006, TNS Infratest).

Als Ursachen hierfür gelten zwar auch mangelnder Bedarf beziehungsweise fehlendes Interesse sowie die entstehenden Kosten – entscheidender dürfte jedoch sein, dass die Nutzungsmöglichkeiten nicht ausreichend bekannt sind.

2. Triple- und Quadruple-Play

Die Mehrheit der Deutschen kann sich unter diesen Bezeichnungen für Bündelangebote aus Fernsehen, Telekommunikation und Breitband-Internet aktuell nur wenig vorstellen. Die Bekanntheit und damit das Interesse an neuartigen Services wie etwa zeitversetztes Fernsehen, einem elektronischen Programmführer oder dem Abruf von Filmen (Video-on-Demand) fallen noch entsprechend gering aus. Ob Triple- oder Quadruple-Play - lediglich einem Drittel der Deutschen sind die Multi-Play-Angebote aus einer Hand bekannt  (Quelle: TNS Convergence Monitor).

Im Moment scheint es fast so, dass der Rezipient der technischen Entwicklung nicht mehr ganz folgen kann. Im Klartext: Die technischen Möglichkeiten sind noch nicht ausreichend bekannt. Und kann durch geeignete Marketing-Maßnahmen und attraktive Preisgestaltungen ein großes Potenzial generiert werden?

In der Konsequenz bedeutet dies: Würde die Nutzung der neuen Medien noch weiter steigen, wenn die Deutschen erst einmal die Möglichkeiten kennen und die Angebote preislich attraktiv sind? Damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage, ob diese neuen Möglichkeiten substitutiv oder komplementär genutzt werden würden. Und nach wie vor bleibt die Frage offen, was dann aus dem Medium Print wird.

Die folgenden Beispiele zeigen exemplarisch, wie sich zurzeit das Mit- und Gegeneinander der Mediengattungen gestaltet:

Mediennutzung in der  CP-Medien-Kommunikation

Wird die Entwicklung der Mediennutzung bei beruflichen Entscheidern verglichen, zeigt sich auf der einen Seite, dass das Internet mit deutlichem Abstand zwischen 2001 und 2006 die meisten Nutzer dazu gewonnen hat (von 69 Prozent in 2001 auf 89 Prozent in 2006). Gleichzeitig hat jedoch die Fachzeitschrift nicht an Relevanz eingebüßt (2001: 89 Prozent / 2006: 90 Prozent). Besonders interessant: Rund 80 Prozent aller beruflichen Entscheider nutzen das Internet und die Fachzeitschrift – 9 Prozent nur die Fachzeitschrift und kein Internet sowie 8 Prozent das Internet ohne eine Fachzeitschrift zu lesen (s. Wirkungsanalyse Fachmedien 2006). Stützen diese Angaben die Komplementaritäts-These?

Tageszeitungen: Bedrohen ePaper die Print-Ausgabe?

Obwohl mittlerweile zahlreiche Verlage ihre Tageszeitungen auch als ePaper anbieten, ist die Resonanz bisher noch eher bescheiden. Ein Blick auf die aktuellen IVW-Meldungen zeigen, dass selbst die ePaper-Ausgabe der ‚Süddeutschen Zeitung’ gerade einmal bei knapp 6.000 Exemplaren liegt und es bei der ‚FAZ’ rund 3.500 EPaper-Exemplare sind.

Eine aktuelle Studie der TNS Emnid Medienforschung zeigt, dass nur eine Minderheit (16 Prozent) der Tageszeitungsleser sich vorstellen kann, komplett auf die gedruckte Version zu verzichten. Ist das ein weiterer Hinweis darauf, dass die klassischen Printmedien nicht subsituierbar sind?

Print goes Online? - Online goes Print!

Bislang war immer die Rede davon, dass das Internet den Print-Markt kannibalisiert. Jedoch gibt es auch aktuelle Beispiele, wie es anders herum funktionieren kann. Zum Beispiel ist seit dem Frühjahr 2007 das ‚eBay-Magazin’ auf dem Markt. Diese Offline-Ergänzung des Online-Angebots scheint sowohl inhaltlich als auch wirtschaftlich zu funktionieren, sodass Print auch eine Ergänzung zu Online sein kann.

Fazit: Alles scheint vorstellbar

Diese wenigen ausgewählten Forschungsergebnisse zeigen das derzeitige Dilemma: Alles scheint vorstellbar, obwohl der gravierende demografische Wandel unserer Gesellschaft noch nicht einbezogen wurde. Wie wird sich zum Beispiel das Medienverhalten der heute 12- bis 19- Jährigen entwickeln? Ist die eindeutig auf elektronische Medien fokussierte Sozialisation in späteren Jahren umkehrbar?

In der Summe spricht einiges dafür, dass Print auch in der nahen und mittleren Zukunft nicht sang- und klanglos untergehen wird. Auch im Bereich des Anzeigenmarketings ist unumstritten, dass crossmediale Werbestrategien mit Verknüpfung von Print und Online einen höheren Wirkungsgrad haben als die eingleisige Kommunikation.

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(bmw) 19.09.2007

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