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Mittwoch, 24. April 2024

Ein Abschied von André Siefke

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Autor: Peter Rensmann, Geschäftsführung Marketing und Sales Jahreszeiten Verlag

Dr. André Siefke wurde 55 Jahre alt - © Sebastian Vollmert

Mit großer Bestürzung und Trauer hat die Kommunikationsbranche vor einigen Tagen auf den viel zu frühen Abschied von Dr. Andreas Siefke (55) reagiert. Auch dieser Text will Abschied nehmen, aber auch wieder nicht. Denn André wird in unseren Gedanken, Gesprächen und Erinnerungen immer bei uns sein. Nur auf dieser Welt nehmen wir Abschied von André, aber er bleibt in unseren Herzen Freund, Verbündeter und Sparringspartner.

Wir, das sind die Weggefährtinnen und Weggefährten, die André in der Ganske Verlagsgruppe (GVG) als Kolleginnen und Kollegen in weit über einem Jahrzehnt verbunden waren und die dort zu Freundinnen und Freunden wurden. Was in einigen Fällen nicht ganz richtig ist, denn der harte Kern – sozusagen die Pre-GVG-Clique – bildete sich schon am Institut für Marketing (IfM) von Professor Heribert Meffert an der Universität Münster, wo Dr. Andreas Siefke 1997 promoviert hat. Der Freundeskreis, der damals zusammengefunden hat, trifft sich heute noch einmal jährlich – die gleichermaßen legendäre wie meinungsstarke „Lemmer“-Truppe.

Dr. Kai Laakmann, ein guter Freund von André aus der IfM-Zeit und späterer Co-Geschäftsführer bei Hoffmann und Campe (HoCa), nennt „Intelligenz, Witz und Schlagfertigkeit“ als Andrés herausragende Qualitäten. Das passt exakt zu André. Und diese Eigenschaften und Talente, die Kai nennt, passen auch genauso zu den – nennen wir es – „Herausforderungen des Alltags“ am IfM, die ohne Humor und auch eine gewisse Frustrationstoleranz nicht handhabbar gewesen wären. Mit Alltagsironie, besagter Schlagfertigkeit und intelligentem Pragmatismus hat André die Lehrstuhl-Achterbahn gemeistert, so berichtete mir sehr plastisch sein ehemaliger Zimmerkollege Dr. Nicolaus Müller. Andrés Souveränität ist umso leichter nachvollziehbar, wenn man weiß, dass schon zu dieser Zeit seine spätere Frau Corinna als „Verarbeitungspartner“ und unterstützende Trutzburg an Andrés Seite war. (Kennengelernt haben sich die beiden übrigens in Münster als Studentenjobber bei Ikea.)

Viele von uns haben ungezählte Erinnerungen und Anekdoten mit und über André zu erzählen, ich kann nur einige aufgreifen.
Als legendär erinnert etwa einer der ehemaligen IfM-und späteren GVG-Kollegen, Dr. Ralf Birkelbach („Biba“), das Recruiting-Gespräch zu Hoffmann und Campe. Andrés erster beruflicher Schritt nach der Promotion führte ihn als Projektleiter Unternehmensentwicklung zur Deutschen Bahn und es galt, ihn davon zu überzeugen, dass „Menschen im Medienbereich andere sind als die, die über Tarifsysteme und Streckenverbindungen von ICEs nachdenken“, wie Biba, damals HoCa-Geschäftsführer, schreibt. Möglicherweise hat er das Gespräch deshalb in seiner Küche geführt, die damals neben anderen Absurditäten mit 24 baugleichen Kuckucksuhren dekoriert war (für jede Zeitzone eine).

Zu dieser Zeit durfte auch ich André kennenlernen. Biba bat mich, mit ihm zu sprechen, um den Beweis für seine o.g. Medienmenschen-vs.-Bahnmenschen-These zu untermauern. Mein Büro war damals mit ABBA-Devotionalien dekoriert. Wir wissen heute nicht, ob es der Agnetha-Aufsteller oder die Kuckucksuhren oder etwas ganz anderes war, was André überzeugt hat, von der DB zu HoCa zu wechseln. Vor allem aber wissen wir nicht, in welcher (besseren) Verfassung die Deutsche Bahn heute wäre, hätte sich André doch anders entschieden.

Andrés erstes Projekt bei HoCa war dann das überaus erfolgreiche Stadtteil-Lexikon für die haspa (Hamburger Sparkasse), aber schnell wurde er zum Key Player für die großen Corporate Publishing Etats. Der größte davon (BMW), den HoCa sagenhafte zwei Jahrzehnte verantwortete, wurde federführend von Kai betreut, der von einer gemeinsamen Tour nach Japan berichtet:

„Wir waren mit André Siefke einige Male dort, um mit BMW Japan und Dienstleistern vor Ort zu sprechen. Angekommen am Narita Airport (natürlich Economy Flug; Bescheidenheit war auch eine Qualität von André), taucht man in eine fremde Welt ein, in der man erstmal gar nix lesen kann oder gar versteht. Während die Vertreter von BMW Japan noch über ein gutes Englisch verfügen, ist das bei Vertretern von Druckereien, Anzeigenverkäufern und anderen Dienstleistern vor Ort eher schwierig. Schon eine U-Bahn-Fahrt wird zu einem Pfadfindererlebnis mit ungewissem Ausgang.

Doch hier halfen weitere Eigenschaften von André, die er mit den meisten Japanern teilt: Der Sinn für Präzision und für jedes noch so kleinste Detail. Damit hat er alle Geschäftspartner für sich eingenommen. So eine Detailliebe kannten die Japaner von westlichen Managern nicht. Normalerweise hatten die es mit Menschen zu tun, die kurz einfliegen, große Linien und Visionen verkünden und dann wieder abfliegen.

Nicht so bei André. Er hat in Japan mit seiner Akribie, seiner Lernbereitschaft und Anpassungsfähigkeit Erfolge erzielt. Aber um sich in Japan Freunde zu machen und erfolgreich zu sein, braucht es eine weitere Eigenschaft, durch die sich André Siefke nur in bis dahin überschaubarem Maße auszeichnete: Demut. André war immer vornweg, nicht konfliktscheu und direkt auf den Punkt. Wer ihn persönlich kannte und liebte, konnte damit gut klarkommen. In Japan ist damit allerdings kein Blumentopf zu gewinnen. Intelligent und mit einem sehr guten Gespür für seine Gesprächspartner hat André das in kurzer Zeit realisiert und die neue Eigenschaft 'Demut' in sein Verhalten aufgenommen. Niemanden brüskieren, niemanden vor den Kopf stoßen und auch mit anderen Meinungen umgehen, obwohl das eigentlich nicht zu seinem Naturell gehörte.

Das hat er fortan verinnerlicht (na ja, nicht immer) und das machte aus einem sehr guten, einen großartigen Manager.“

Besser als Kai es hier beispielhaft tut, kann man es nicht formulieren. In vielen Gesprächen der letzten Tage kramen viele von uns Geschichten wie diese Exemplarische aus Japan hervor. (Joachim Herbst hat uns eindrucksvoll an ein legendäres einzigartiges GVG Business Meeting Dinner in der „Turnhalle“ in Hamburg St. Georg erinnert.)

Diese Geschichten können nicht alle erzählt werden und einige verdienen es auch, nicht verschriftlicht zu werden. Aber wir dürfen diese Hommage nicht ohne eine Familiengeschichte abschließen. Meine Mutter hatte vor vierzig Jahren aus der WamS eine Kolumne ausgeschnitten und an den Kühlschrank gepinnt, die überschrieben war: „Die Familie ist die Trutzburg.“

Diese großartige Kühlschrank-Botschaft, die bei uns zu Hause zwei oder drei Jahrzehnte in der Küche hing, kommt mir in den Sinn, wenn ich an den liebevollen, so oft live bestaunten Zusammenhalt von Corinna und André denke und auch an das unermessliche Glück, als ihr gemeinsamer Sohn Jan die Familie verstärkte.

Andrés GVG-Kollege Oliver Voß, heute einer seiner allerbesten Freunde, hat ebenfalls zwei Söhne und so führte die enge, vertrauensvolle Freundschaft der Familien dazu, dass diese sich sozusagen auf die nächste Generation übertrug. André zu erleben, wie er davon schwärmte, wie gut sich Olivers jüngerer Sohn David und Jan verstehen und wie tatendurstig sie Unternehmungen planen (wie etwa die regelmäßigen Besuche der Karl-May-Spiele in Bad Segeberg), war hinreißend.

Unvergessen die Publishers Night in Berlin, auf der mir André zu fortgeschrittener Stunde von der Verbundenheit der beiden erzählte – mit zahlreichen iPhone-Bildimpressionen. Mama hat recht: Die Familie ist die Trutzburg.

Auch eine Art von Familie ist die einführend schon erwähnte Lemmer-Truppe der IfM/GVG-Alumni. In einer 2020 eigens installierten WhatsApp-Gruppe für den Freundeskreis von André haben die Jungs auch Bilder von ihrem Lemmer-Treffen 2021 gepostet. Das Treffen fand statt, als André erste Eingriffe gut überstanden hatte und relativ fit war.

André war zwar anzusehen, dass er gesundheitlich einige Hürden nehmen musste, aber gerade auf diesen wunderbaren Schnappschüssen wirkte er in sich ruhend, positiv, glücklich. Das Glück des Moments, dieses entspannten Wochenendes unter guten Freunden ließ ihn strahlen.

Und genau das ist auch das Bild, das wir von André behalten werden. Wir umarmen seine Familie und wünschen seiner Frau Corinna und seinem Sohn Jan und allen anderen, die ihn vermissen, dass die schönen Erinnerungen Schritt für Schritt dabei helfen, mit dem großen Verlust besser umzugehen. Denn die bewahrenswerten Erinnerungen kann uns keiner nehmen.

P.S.: Der Autor dieser Zeilen dankt allen Freundinnen und Freunden, die ihn mittelbar und unmittelbar dabei unterstützt haben, diesen Abschied zu formulieren, unter anderem Dr. Ralf Birkelbach, Joachim Herbst, Dr. Kai Laakmann, Dr. Nicolaus Müller, Wolfgang Thomas, Dr. Ralf Ueding und Oliver Voß.



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(bmw) 19.08.2022


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